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Funeralissimo


SÜDDEUTSCHE ZEITUNG

24. November 2017

Review: FURENALISSIMO Mathias Well

Von: Harald Eggebrecht

Wiederbelebte Tradition: Der junge Geiger Matthias Well hat Trauermusiken aus verschiedenen Jahrhunderten und Weltgegenden auf einer CD zusammengestellt und präsentiert sie außerordentlich empathisch. Dass Musik Trauer lindern kann, hat wohl jeder schon erfahren. Doch genauso kann Musik den Schmerz steigern bis hin zur offenen Verzweiflung. Die großen Requiem- Werke – etwa von Wolfgang Amadé Mozart, Giuseppe Verdi oder Johannes Brahms – künden davon eindringlich. Doch auch solche Monumente musikalischen Trauerns wollen am Ende trösten, zumindest zur Ruhe kommen, den Seelenschmerz befrieden. Das gilt auch für Musik, welche die Begräbnisrituale der Völker begleitet. Der schwere Schritt des Trauermarschs ist der Bürde des Kummers angemessen, und in der langsamen Bewegung geschieht auch so etwas wie Entlastung der Seele. Oft aber ändert sich die Musik beim Weggang vom Grabe, dann kann sie sogar ausgelassen sein und das Leben feiern, wie es etwa Louis Armstrong und seine Band bei der „New Orleans Function“ unvergesslich getan haben. Der junge Geiger Matthias Well, Jahrgang 1993, Träger des Fanny-Mendelssohn- Förderpreises 2017, hat sich auf die Suche nach einer vergessenen Tradition begeben, die des sogenannten Trauergeigers, der Anfang des 16. Jahrhunderts seine Karriere in England begann und dann auch auf dem Kontinent bei Trauerfeiern und am offenen Grab nicht fehlte bis zum Ersten Weltkrieg. Well knüpft nun daran an und weitet den Blick auf Trauermusiken rund um die Welt. Zusammen mit seiner Schwester, der Cellistin Maria Well, und dem Akkordeonisten Zdravko Živković ist Well dabei eine außergewöhnlich berührende CD gelungen (Genuin). Das fängt mit der Wehmut des Allerseelen-Jodlers an, setzt sich feierlich mit einer Aria di Chiesa von Alessandro Stradella oder in der Ruhe eines indischen Raga fort, greift Trauertänze aus dem Balkan, Westafrika und Indonesien auf, lässt Volksliedmelodienaus Schottland, Irland, Deutschland oder Nordamerika erklingen und findet auch in der „Paper Music“ solcher Komponisten wie Johann Sebastian Bach, Reinhold Glière oder Astor Piazzolla jene Momente, in denen Kummer und Trost, betonte Lustigkeit und schmerzliche Elegie, Klage und tänzerische Aufmunterung sich bewegend mischen. Wells Geigenton singt und spricht dabei mit jener Empathie, der sich auch jenseits der Trauer niemand entziehen kann.




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